Der Fluch der Nigelungen

Kennen Sie die Stadt Worms am Rhein? Man kann ganz gut leben in dieser Stadt mit ca. 80 000 Einwohnern. Nicht zu groß, nicht zu provinziell. Entlang am Rhein ungefähr in der Mitte zwischen Mannheim und Mainz. Die Wormser an sich werden von Außenstehenden häufig als unfreundlich empfunden. Wobei ich finde, dass es in den letzten Jahren schon besser geworden ist mit uns Wormsern.

Wir sind nicht mehr ganz so fremdenfeindlich, seit bei uns die Stars der Theaterwelt die Cafés mit ihrer Anwesenheit beehren. Mario Adorf, Joachim Król, André Eisermann, Maria Schrader um nur einige zu nennen, geben sich die Klinken unserer Gastronomiebetriebe in die Hand. Dies alles haben wir einem Kulturgut zu verdanken, welches schwer auf Worms lastet. Den Nibelungen!
Jaaa, Worms ist die Nibelungenstadt. Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht zumindest das Ende des holden Siegfried kennt. Mit einem Speer durch die Stelle auf dem Rücken die seinen einzigen verwundbaren Punkt markiert. Verraten von der getäuschten Kriemhild und getötet durch Hagen von Tronje. Damit war das Ende von Siegfried besiegelt. Nigelungen statt Nibelungen, möchte man da sagen.So haben auch die Wormser schon einiges durch den Fluch der Nigelungen erleiden müssen. Der Name bringt nicht unbedingt Glück.
Viele Wormser werden sich noch an das Nibelungen-Center erinnern. Ein Einkaufzentrum mit vielen kleinen netten Geschäften, Rollschuhbahn, Bowlingbahn, einer Diskothek und zwei großen Mankos. Der Name (dieser symbolisiert das Kreuz auf dem Rücken Siegfrieds) und die Entfernung von fünf Gehminuten zum Stadtzentrum (das ist dann der Speer im Rücken). Die Wormser versetzten dem Einkaufzentrum den Todesstoß und schon hatten wir unser Nigelungen-Center. Doch der Fluch hielt sich über die Jahre, obwohl ihn die Stadtväter sehr gut zu ignorieren versuchten. So kam es wie es kommen muss: Ein Nibelungen-Museum musste her. Viele Wormser sahen Schlimmes kommen, doch konnte der Bau nicht verhindert werden. Es wurde modern in die altehrwürdige Stadtmauer integriert und sollte Touristenströme anlocken um dafür zu sorgen, dass unser Nibelungen-Museum nach einiger Zeit nicht nur ein Zuschussgeschäft bleibt. Doch das Museum hat zwei Mankos. Der Name (das Kreuz auf dem Rücken) und die ausbleibenden Besucher (der Speer im Rücken). Sollten Sie also einmal unsere Stadt besuchen, erlauben Sie sich auch einen Besuch im Nigelungen-Museum. Vielleicht können wir den Fluch ja noch abwenden.

Abwenden sollten wir ihn auch von den Nige…, sorry, Nibelungen-Festspielen. Die moderne Inszenierung dieses altertümlichen Stoffes ist zwar nicht jedermann Sache, aber im Schatten des Wormser Domes durchaus sehenswert. Doch der Fluch hätte auch hier beinahe wieder zugeschlagen. Aber es gab mehr als nur das Problem mit dem Namen. Mario Adorf, 2002 noch als Hagen auf der Bühne, konnte 2003 nur noch als Erzähler gewonnen werden (das Kreuz mal wieder). Die Kosten der Festspiele explodierten (der Speer). Streitereien, Schiebereien und Schuldzuweisungen waren an der Tagesordnung. Statt des einjährigen Rhythmus wurde ein zweijähriger ins Auge gefasst. Doch die Spiele konnten auch 2004 aufgeführt werden. Zwar gänzlich ohne Adorf, dafür mit einer anderen deutschen Schauspielgröße, Joachim Król als König Gunther. So finden sie auch in diesem Jahr 2005 wieder statt, unsere Nibelungen-Festspiele. So werden sie hoffentlich gut besucht, auf dass dem Fluch der Nigelungen eine Abfuhr erteilt werde.

Immer noch unbegreiflich ist mir, warum der Fluch spurlos an der Nibelungen-Apotheke vorbei geht. Vermutlich können Apotheken heißen wie sie wollen. Kundschaft gibt es immer. Auch die Nibelungen-Bäckerei, der Nibelungen-Kurier, das Nibelungen-Hotel und der ASV Nibelungen 1950 e. V. existieren noch. Letzterer wohl schon seit über 50 Jahren. Also lasst uns einsteigen ins Nibelungen-Bähnchen und eine Rundfahrt durch die Stadt machen. Bewegliche Ziele sind ja bekanntlich schwerer zu treffen. Machen wir es dem Fluch so schwer wie möglich, auf dass es ein Ende nehme mit den Nigelungen. Wenn nicht, Worms ist ja auch noch Lutherstadt.

Gelungener Gruß

Kurt Waplinger

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Datum: Montag, 1. August 2005 11:35
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